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Zwischen
Orient und Okzident
BUSINESS IN DER TÜRKEI.
Sympathie und ein guter Draht zählen mehr als konkurrenzlose
Preise: Für türkische Geschäftspartner muss
vor allem die Atmosphäre stimmen.
"Es war eine Peinlichkeit sondergleichen!"
- Nur zu gut erinnert sich Renate Klingler, damals Assistentin
bei einer internationalen Anwaltskanzlei, an den Besuch
der Geschäftsleitung eines türkischen Bauunternehmens,
die zu einem Schiedsverfahren nach Deutschland gekommen
war. Beim Metzger hatte sie den Snack für die Verhandlungspause
bestellt: Belegte Brötchen und Kanapées mit
einer Auswahl an Schinken, Leberwurst und verschiedenen
anderen Wurstsorten. Als sie mit dem Tablett in den Besprechungsraum
kam, erstarrte sie unter den fragenden Blicke der türkischen
Gäste: Schlagartig fiel ihr ein, dass Türken
als gläubige Moslems in der Regel kein Schweinefleisch
essen. Sie entschuldigte sich für diese Panne - vergessen
wird sie sie nie.
Was das Thema "Alkohol" angeht, ist die Sachlage
bei Bewirtungen nicht so einfach. "Es kommt ganz
darauf an, ob die Landsleute streng-islamisch, türkisch-konservativ
oder modern-westlich eingestellt sind", erläutert
die aus der Türkei stammende und seit rund 20 Jahren
in Deutschland lebende Unternehmensberaterin und interkulturelle
Trainerin Nilüfer Boysan-Dietrich. Deshalb ist es
nicht so leicht, abzuschätzen, ob Alkohol getrunken
wird oder nicht. Das Beste ist deshalb eine Auswahl an
alkoholischen und nicht-alkoholische Getränken wie
etwa Wasser, Säfte oder Tee anzubieten.
Wichtig ist auch, die Zeiten des Fastenmonats Ramadan
im Blick zu haben, wenn gläubige Moslems erst nach
Sonnenuntergang essen. Statt eines Mittagessens sollte
besser ein schönes Abendessen organisiert werden.
Überhaupt gilt, dass Türken auch abends gern
warm essen, ein kaltes Essen habe nicht die gleiche Bedeutung,
erläutert Boysan-Dietrich. Auf solche Vorlieben einzugehen
sei wichtig, denn "es gibt für Türken nichts
Schlimmeres als außerhalb der Heimat zu sein".
Gastfreundlichkeit ist ein hoher Wert in der Türkei
und es gilt: Wer fremd ist, dem muss geholfen werden,
dem darf es an nichts fehlen und der muss so behandelt
werden, dass er sich möglichst wie zu Hause fühlt.
Für Deutsche ist es in der Türkei manchmal nicht
ganz einfach, mit dieser Haltung umzugehen. Für das
richtige Verhältnis von Geben und Nehmen ist Fingerspitzengefühl
gefordert.
Hierarchien sind noch sehr
lebendig
Patentrezepte gibt Boysan-Dietrich ungern, doch ein Tipp
liegt ihr am Herzen: "Der Orient liebt den Luxus".
Vieles sei einen Hauch luxuriöser, als das in Deutschland
üblich sei. Das sollte man sich auch für die
Wahl der Gastgeschenke bewusst machen, die nach türkischem
Verständnis zeigen, wie viel Wert man dem anderen
beimisst. Klar, dass dafür vor allem Marken- und
Qualitätsprodukte in Frage kommen. Natürlich
muss auch der Rang des Beschenkten beachtet werden, da
die Türkei, so Boysan-Dietrich "ein hierarchisch
ausgefeiltes Land" ist. Man sollte deshalb darauf
achten, dass man allen Menschen mit genügend Respekt
begegnet. Türken sind in der Regel höflicher
als Deutsche, und höher gestellte Türken erwarten
schon aufgrund ihres Status viel Höflichkeit.
Türkischen Besuch sollte man zum Beispiel gleich
an der Tür empfangen und keinesfalls warten lassen.
"Wenn man in der Türkei warten muss, ist das
ein schlechtes Zeichen", sagt Anne Dietrich, die
interkulturelle Trainings für die Türkei veranstaltet.
Was die Hierarchie angeht, muss man auch dafür Sorge
tragen, selbst richtig eingeordnet zu werden. Zum Beispiel
durch korrekte und elegante Kleidung, denn in der Türkei
gilt: "Kleider machen Leute". Gerade für
Frauen gilt es, auch durch die Wahl der Garderobe seriös
zu wirken. Tabu sind leichte Sommerkleidchen mit Spaghettiträgern
oder Ähnliches. (...)
"Eine Frau hat Recht auf Respekt, aber den muss sie
sich nehmen." Da in der Türkei die Hierarchien
noch größere Bedeutung haben und Teamarbeit
noch relativ unüblich ist, sei es für Deutsche
manchmal befremdlich, wie der Chef mit dem Personal umgeht,
hat Anne Dietrich festgestellt. Deutsche Manager sollten
sich in der Türkei den Untergebenen gegenüber
nicht allzu jovial zeigen, sonst besteht die Gefahr, dass
sie "die Anweisungen nur als unverbindliche Möglichkeiten
sehen". Für Frauen bedeutet das erst recht,
ihre Kompetenz deutlich zu zeigen. Außerdem empfiehlt
Anne Dietrich weiblichen Türkeireisenden, auf Distanz
zu achten und Privates und Geschäftliches nicht zu
vermischen. Manchmal sei es sogar nötig, den richtigen
räumlichen Abstand wieder herzustellen und einen
Schritt zurückzugehen. Wenn Frauen von jungen türkischen
Männern nicht angeschaut würden, sei das meist
keine Missachtung, sondern ein respektvoller Achtungsbeweis,
erklärt Anne Dietrich, die mehrere Jahre in der Türkei
lebte und über "Deutsch sein in Istanbul"
promoviert hat.
Die Schnelligkeit der Deutschen wird leicht als Überheblichkeit
und Taktlosigkeit interpretiert, warnt auch Dietrich.
Um sich auf der persönlichen Ebene bekannt zu machen,
müssen zunächst Fragen nach dem Befinden, der
Anreise und, falls man sich bereits kennt, nach der Familie
beantwortet werden. Dietrich betont, dass diese Annäherung
mit traditionellen Höflichkeitsformeln keineswegs
locker, sondern für deutsche Verhältnisse relativ
steif vonstatten geht. Wenn die persönliche Ebene
stimme, seien die Türken treue Geschäftspartner:
"Sie machen mit den Leuten Geschäfte, die sie
mögen." Türken könnten sich in der
Regel schnell entscheiden und seien auch zuverlässig.
Eine gute Geschichte gehört
zum Geschäft
Allerdings könnte es schon einmal sein, dass Gespräche
länger dauern, Termine nicht eingehalten werden oder
es eine Welle braucht, bis es zum Geschäft kommt.
Deutsche müssten dann improvisieren, weil Türken
"keine Freunde großer methodischer Planung"
seien, erklärt Boysan-Dietrich. Auch die Erzählweise
ist meist nicht sehr planvoll, sondern von einem indirekten,
blumigen Stil geprägt. Boysan-Dietrich spricht von
dem Bild einer Spirale: "Umstände, die zu einem
Ereignis führen, sind so wichtig wie das Ereignis
selbst." Für deutsche Ohren klinge das oft wie
"Geschwafel", doch den Erzählvorgang durch
direkte Fragen abzukürzen, sei der falsche Weg. Ihr
Tipp: Direkte Fragen nur in viele Höflichkeitsfloskeln
eingepackt stellen und auf jeden Fall mindestens einen
erklärenden Satz vorausschicken, warum man die Information
brauche, wie man sie verwende und so weiter. Trainerin
Dietrich weist darauf hin, dass ein schnelles "Nein"
bei Türken als unhöflich gilt und sie eher mit
"vielleicht" oder "ich versuche, was mir
möglich ist" antworten. Deshalb seien eher offene
Fragen nach dem Motto: "Wie schätzen Sie die
Situation ein?" angebracht.
(...)
Veröffentlicht in:
working@office - Das Magazin für die Frau im Büro
11/2000, S. 50-52
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