Interkulturelles
Konfliktmanagement ein weit(er)es Feld
Einstieg in das Feld
Fast zeitgleich mit dem TVV-Feldforschungsband erschien
auch ich 1984 im Tübinger Schloss und begann mein
Studium der Empirischen Kulturwissenschaft und Ethnologie.
Kein Wunder also, wenn es gerade die Feldforschung mit
ihrer qualitativen Methodik war, die mich besonders beeinflusste.
Erste praktische Erfahrungen konnte ich nach meinem schnellen
Einstieg in das von Utz Jeggle geleitete Projekt "Fremdarbeiter
in Tübingen" sammeln. Übrigens eine von
besonderer Interkulturalität geprägte Erfahrung.
Ich erinnere mich noch sehr gut an die in diesem Rahmen
geführten qualitativen Interviews, die für mich
als neu Immigrierte aus Nordhessen besondere Schwierigkeitsgrade
bereithielten. So war ich des Schwäbischen nicht
mächtig, was ich durch Annehmen einer südlichen
Klangfarbe und zurückhaltendes Reden unter nachdrücklichem
Einstreuen von "mer" (wir) und "nit"
(nicht) zu verdecken suchte, um nach ersten einschlägigen
Erfahrungen ja nicht als überhebliche Norddeutsche
Widerstände heraufzubeschwören. Als der urschwäbische
Metzgermeister, dessen Erinnerungsarbeit Kommilitone Jo
und ich gerade in Gang gesetzt hatten, jedoch davon berichtete,
wie ein Fremdarbeiter "a Lägerle auf der Bühne
herg'richt" hatte, war meine persönliche Aufnahmefähigkeit
durch die Suche nach dem Sinn dieser Worte blockiert Dass
das Lägerle ein (mehr oder weniger kleines) Vorratslager
war, interpretierte ich ja noch ganz richtig, wo und warum
jedoch in einem ordentlichen Metzgerhaushalt Theater gespielt
wurde, das fand ich erst in der Nachbesprechung mit dem
autochthonen Jo heraus: nirgends, denn die Bühne
ist der Dachboden. Ein Beispiel, das ich in meiner interkulturellen
Arbeit heute noch gern verwende, wenn ich auf die kulturelle
Vielfalt einzelner Nationen oder auf unterschiedliche
Bedeutungsinhalte gleicher Worte hinweisen möchte.
Neben derartigen sprachlichen Verwirrungen stellten sich
auch anderskulturelle ein, wobei ich mich mit besonderer
Faszination an die nach dem Leeren mit Seifenlauge gereinigten
Mülltonnen schwäbischer Hausbesitzer erinnere.
Viele Schritte wären hinzuzufügen, die mich
über weitere Projektarbeiten mit einiger Fantasie
zu meiner Feldforschung in der Türkei , dann zu meiner
beruflichen Tätigkeit im Zentrum für Türkeistudien
, einem deutschen Institut unter (deutsch-) türkischer
Leitung mit KollegInnen verschiedener kultureller und
nationaler Herkunft, und schließlich zu meiner selbstständigen
Tätigkeit als Beraterin und Trainerin für interkulturelle
Kommunikation und Konfliktmanagement führten - und
damit zum eigentlichen Thema dieses Beitrages. Nach mehrjähriger
Berufserfahrung verstehe ich mich immer noch als Lernende
und Forschende im interkulturellen Feld, auch wenn ich
häufig als "Mittlerin zwischen den Kulturen"
fungiere oder als interkulturelle Beraterin tätig
bin.
(...)
Veröffentlicht in:
Die Poesie des Feldes - Beiträge zur ethnographischen
Kulturanalyse
Katharina Eisch und Marion Hamm (Hrsg.)
Tübingen 2001, S. 198-213
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